Krankheitsrisiken

Fluglärm, aber auch Straßen- und Schienenverkehrslärm sind Umweltexpositionen, von denen ein immer größerer Teil der Bevölkerung betroffen ist. Dass sich viele Betroffene durch Lärm belästigt fühlen, ist unstrittig. Neuere Studien weisen darauf hin, dass Lärm zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Betroffenen führen kann, bis hin zur Auslösung von Erkrankungen wie hohem Blutdruck, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Jedoch sind viele Fragen zu den lärmbezogenen Krankheitsrisiken noch unbeantwortet, insbesondere zur genauen Höhe und Form des Zusammenhangs zwischen der Dauer und Höhe Belastung durch einzelne oder kombinierte Verkehrslärmquellen einerseits und den gesundheitlichen Auswirkungen andererseits.

 

Das Teilmodul „Krankheitsrisiken“ des Gesundheitsmoduls der NORAH-Studie untersucht deshalb die Auswirkungen von Verkehrslärm (Flug-, Straßen- und Schienenverkehrslärm) auf die Gesundheit der betroffenen Wohnbevölkerung. Dabei stehen die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall), psychische Erkrankungen (Depressionen) und Krebserkrankungen (insbesondere Brustkrebs) im Mittelpunkt der Untersuchung.

 

Die Untersuchung basiert dabei primär auf Routinedaten gesetzlicher Krankenkassen (“Sekundärdatenbasierte Fallkontrollstudie“). Hierzu wurde ein Krankenkassenverbund im Regierungsbezirk Darmstadt, Mainz und Rheinhessen mit insgesamt etwa 1,5 Millionen Versicherten etabliert. Einbezogen werden über 40-jährige Versicherte, die im Rhein-Main-Gebiet wohnhaft sind. Die genannten Erkrankungen werden anhand gesicherter ambulanter und stationärer Diagnosen aus den Jahren 2005 bis 2010 ermittelt. Im Sinne einer sogenannten „Fallkontrollstudie“ wird die Verkehrslärmbelastung von erkrankten Versicherten („Fällen“) mir der Verkehrslärmbelastung von Personen verglichen („Kontrollpersonen“), die nicht an diesen Krankheiten leiden. Die Verkehrslärmquellen Flug, Straße und Schiene werden sowohl einzeln als auch zusammen betrachtet. Für alle eingeschlossenen Personen erfolgt dabei eine adressgenaue Zuordnung der Exposition gegenüber Flug-, Straßen- und Schienenverkehrslärm. Wenn entsprechende Daten bei den teilnehmenden Krankenkassen verfügbar sind, wird bei den Versicherten, die während des Versicherungszeitraums umgezogen sind, eine Lärmabschätzung auch für die früheren Wohnadressen durchgeführt.

 

Bei der Auswertung von Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen können allerdings zusätzliche Risikofaktoren, die ebenfalls das Auftreten der zu untersuchenden Erkrankungen beeinflussen können, wie beispielsweise Tabak- und Alkoholkonsum, der Body-Mass-Index (BMI) oder die berufliche Situation nicht berücksichtigt werden. Deshalb findet zur präziseren Erfassung der Krankheitsrisiken eine vertiefende Befragung der Versicherten statt. Mit diesem Ansatz können diese weiteren Einflussfaktoren auf die untersuchten Erkrankungen erfasst und rechnerisch „kontrolliert“ werden; damit sind genauere Ergebnisse für den Zusammenhang zwischen Fluglärm, Straßen- und Schienenverkehrslärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erzielen. Hierfür wird eine Zufallsauswahl der erkrankten Versicherten („Fälle“) sowie der nicht an den jeweiligen Herz-Kreislauf-Erkrankungen leidenden Versicherten („Kontrollpersonen“) von den teilnehmenden Krankenkassen angeschrieben. Die Versicherten werden gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Der Fragebogen enthält u.a. Fragen zur Person (Größe, Gewicht, Tabak- und Alkoholkonsum), zur aktuellen und vorherigen Wohnsituation (z.B. Ausrichtung des Schlafzimmers zur Straße) und zur beruflichen Situation. Alternativ zum schriftlich auszufüllenden Fragebogen kann auch ein Online-Fragebogen ausgefüllt werden; außerdem ist auf Wunsch der Versicherten auch ein Telefon-Interview möglich.

 

Nur wenn die teilnahmebereiten Versicherten eine Einverständniserklärung ausgefüllt und unterschrieben an die Erhebungsstelle der Universität Gießen geschickt haben, können die Daten aus dem Fragebogen für die statistische Analyse genutzt werden.

 

Folgende Aspekte der sekundärdatenbasierten Fallkontrollstudie mit vertiefender Befragung erlauben eine besonders präzise Abschätzung der Fluglärm-, Straßenlärm- und Schienenverkehrslärmbezogenen Krankheitsrisiken:

  1. Verschiedene Verkehrslärm-Arten (Flug-, Straßen- und Schienenverkehrslärm) werden einzeln und kombiniert untersucht.
  2. Die Berücksichtigung weiterer individueller Einflussfaktoren auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen ermöglicht die Berechnung besonders genauer Risikoschätzer für Flug-, Straßen- und Schienenverkehrslärm.
  3. Der zeitliche Verlauf der Lärmbelastung wird dadurch berücksichtigt, dass auch vorherige Wohnsituationen einbezogen werden.
  4. Die genaue Wohnsituation (z.B. Stockwerk, Ausrichtung des Schlafzimmers) wird von den Versicherten erfragt.

Weitere Informationen finden Sie unter FAQ.